Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Mergers & Acquisitions
Dr. Mathias Reif
Partner, Head of Corporate & M&A
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Doreen Meis
Rechtsanwältin
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bei bereits unterzeichneten M&A-Verträgen, die im Zeitpunkt des „Brexits“ noch nicht vollzogen sind, könnte dies in Betracht kommen. Im Falle künftiger Transaktionen können jedoch Zweifel an der Unvorhersehbarkeit nicht geleugnet werden, auch wenn die genauen Umstände des Austritts noch einige Zeit im Dunkeln bleiben.

1.2.    Spezifische vertragliche Regelungen

Aufgrund der dargelegten Rechtsunsicherheiten bei der Frage, ob der Austritt Großbritanniens aus der EU bzw. die daraus resultierenden Folgen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führen, wäre eine vertragliche Regelung anstelle des § 313 BGB der vielversprechendere Weg.

   1.2.1.      KPI Vereinbarungen

Eine denkbare Lösung könnte mithin sein, die Einhaltung bestimmter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen (KPI’s) post „Brexit“ zu vereinbaren. Eine etwaige Unterschreitung dieser würde als Rechtsfolge z.B. zur Anpassung des Kaufpreises führen.

Aus Käufersicht naheliegend ist die Vereinbarung einer möglichst weitgehenden und verschuldensunabhängigen Haftung des Verkäufers für ein Bündel von KPI‘s, um so mögliche Risiken abzusichern. Diese Vorgehensweise wird aber auf massive Bedenken des Verkäufers stoßen, als dass in der Regel völlig unklar ist, ob und welche Folgen der „Brexit“ auf ein Unternehmen mit sich bringt und wie stark das Unternehmen hiervon beeinträchtigt und betroffen sein wird. Denn außer in sehr begrenzten Einzelfällen (z.B. ein auf die Vermittlung von U.K. Personal an die EU spezialisierter Personalberater) wird den Parteien die Möglichkeit fehlen, Verschlechterungen von allgemeinen KPI’s beweisfest an den Folgen des „Brexits“ festzumachen. Nach closing fehlt es dem Verkäufer an jeglicher Möglichkeit der Kontrolle und Einflussnahme auf das Unternehmen und ob tatsächlich der „Brexit“ zu den innerbetrieblichen Veränderungen, beispielsweise die Unterschreitung des Werts der Kennzahlen, geführt hat, oder aber eine schlechte Unternehmensführung durch den Käufer, lässt sich für den Veräußerer nach der Abwicklung des Vertrages nicht überprüfen.

Die Vereinbarung spezifischer KPI’s bietet daher nur dann einen relevanten Mehrwert im Vergleich zu § 313 BGB wenn das target und dessen Wertentwicklung durch den „Brexit“ mit hinreichenden Sicherheit beider Parteien durch KPI’s messbar ist. Dies wird nur in wenigen Ausnahmefällen der Fall sein.

   1.2.2.      Material Adverse Change-Klauseln

Eine andere mögliche vertragliche Regelung bietet die sog. Material Adverse Change-Klausel („MAC Klausel“).

MAC-Klauseln sind ohnehin im Bereich von internationalen Transaktionen verbreitet. Diese Klauseln berücksichtigen den Umstand, dass zwischen der Vereinbarung einer Transaktion („Signing“) und deren Vollzug („Closing“) in Einzelfällen viel Zeit vergehen kann und in dieser Zeit eine wesentlich nachteilige Änderung in Bezug auf das target eintritt.6 Dem Käufer wird dann beispielsweise die Möglichkeit gegeben, den Vertrag zu kündigen oder nachzu­verhandeln.


6 Göthel in: Grenzüberschreitende M&A-Transaktionen, 4. Aufl. 2015, § 2, Rn. 144.


„Aufgrund der Rechtsunsicherheit
bei der Frage, ob der
„Brexit“ (in einem
konkreten Fall) zu
einer Störung der
Geschäftsgrundlage
führt, ist eine
vertragliche Regelung
der Anwendung des
§ 313 BGB
vorzuziehen.“