Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Steuerrecht
Dr. Marion Frotscher
Mitglied der Geschäftsbereichsleitung Steuern und Recht,
Warth & Klein Grant Thornton AG


„Deutsche Investoren können künftig steuerlich in Großbritannien schlechter behandelt werden als Inländer.“

 1. Einleitung

Großbritannien hat in einer Volksabstimmung für den Austritt des Landes aus der Europäischen Union gestimmt (sog. „Brexit“). Diese Abstimmung hat aber noch keine unmittelbare Wirkung; erst wenn die Austrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem vereinigten Königreich abgeschlossen sind, kommt es tatsächlich zu einem Austritt. Bis dahin bedarf es aber noch vieler formal-juristischer Schritte. Zunächst ist am 29.3.2017 das offizielle Austrittsgesuch gestellt worden. Diesem folgen nun die Austrittsverhandlungen, die sich über zwei Jahre hinziehen können. Das Ergebnis der Austrittsverhandlungen ist ein Verhandlungsergebnis und daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorherzusagen.

Nach der Rede von Premierministerin May und dem derzeitigen Stand der Diskussionen ist davon auszugehen, dass Großbritannien steuerlich als Drittstaat (Vergleichbar mit den USA oder der Schweiz) zu behandeln sein wird (sog. „harter Brexit“).

 2. Verringerter Schutz gegen Mehrsteuern

Durch den „Brexit“ sind die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union nicht mehr im Verhältnis zu Großbritannien anwendbar. Dies sind im Steuerrecht insbesondere die Grundfreiheiten und die Richtlinien. Auch die Rechtsprechung des EuGH, die im Steuerrecht sehr umfangreich ist, gilt nicht mehr für Großbritannien bzw. es wird diesbezüglich keine neue EuGH-Rechtsprechung geben. Dies bedeutet für den Steuerpflichtigen zunächst einen geringeren Schutz gegenüber Schlechter­behandlungen. Deutsche Investoren können damit steuerlich in Großbritannien unter gleichen Umständen schlechter behandelt werden, als Inländer. Umgekehrt können auch Investoren aus Großbritannien in Deutschland schlechter als deutsche Steuerpflichtige behandelt werden. Geschützt werden sie nur durch Regelungen in bilateralen Verträgen (im Steuerrecht im Wesentlichen das Doppelbesteuerungs­abkommen zwischen Deutschland und Großbritannien; siehe Linksammlung). Diese haben sich aber in der Vergangenheit als relativ zahnlose Tiger erwiesen.

Selbst wenn die Regelungen, die sich aus der EuGH-Rechtsprechung abgeleitet haben, oder die der Umsetzung von europäischen Richtlinien dienen, in das nationale Recht umgesetzt worden sind, verschlechtert sich die Situation des Steuerpflichtigen. Zwar gelten diese Regelungen auch nach dem „Brexit" grundsätzlich als nationales Recht auch im Verhältnis zu Großbritannien weiter. Allerdings ist bei der Umsetzung in Deutsches Steuerrecht häufig die Anwendbarkeit der Normen auf EU- bzw. EWR- Gesellschaften oder -Sachverhalte beschränkt. Damit sind die Regelungen nach dem „Brexit" nicht mehr für Sachverhalte im Verhältnis zu Großbritannien anwendbar.

  3. Ausgewählte steuerliche Nachteile

Im deutschen Steuerrecht gibt es eine Reihe von Regelungen, die eine im Vergleich zu Steuerpflichtigen aus Drittstaaten günstigere Regelung für EU bzw. EWR Sachverhalte enthalten. Im nachfolgenden soll keine vollständige Aufzählung dieser Normen erfolgen; vielmehr sollen die wesentlichen Regelungen besprochen werden.