Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Steuerrecht
Dr. Marion Frotscher
Mitglied der Geschäftsbereichsleitung Steuern und Recht,
Warth & Klein Grant Thornton AG


„Thema Um­strukturierung: Eine rein substanzlose Briefkasten­gesellschaft reicht nicht aus, um in den Genuss der Freistellung von der Kapitalertrag­steuer zu kommen.“

   3.1 Grenzüberschreitende Ausschüttungen
   3.1.1 Ausschüttung einer deutschen Tochtergesellschaft

Dividenden einer deutschen Tochtergesellschaft an eine Muttergesellschaft in Großbritannien waren bisher gem. § 43b EStG (als Umsetzung der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie) vom Abzug einer Besteuerung an der Quelle (Kapitalertragsteuer) befreit. Ohne diese Regelung wäre eine Steuer von 25% der Brutto-Dividende als Kapitalertragsteuer einzubehalten; eine Erstattung wäre nur zum Teil und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese Kapitalertragsteuer wird im Verhältnis zu Großbritannien auch durch das zwischen Deutschland und Großbritannien abgeschlossene Doppelbe­steuerungsabkommen eingeschränkt. Danach (Art. 10) muss regelmäßig eine Quellensteuer von 5 % des Bruttobetrags der Dividende einbehalten werden. Ebenso wie der § 43b EStG steht dieser Regelung unter einem Mißbrauchsvorbehalt des nationalen deutschen Steuerrechts (§ 50d Abs. 3 EStG). Insoweit kommt es durch den „Brexit" nur insoweit zu einer Verschlechterung, als dass eine erhöhte Steuerlast i.H.v. 5% der Brutto- Dividende als finale Steuerlast bestehen bleibt.

Diese Steuer kann u.U. in Großbritannien auf die dortige Steuerlast angerechnet werden. Ob diese Anrechnung tatsächlich möglich ist, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. So kann die Anrechnung z.B. schon dann ausgeschlossen sein, wenn die Muttergesellschaft auf Grund einer Verlustsituation keine Steuern in Großbritannien zahlt. Jedenfalls erfordert die Anrechnung für den Steuerpflichtigen einen erhöhten Verwaltungsaufwand, da Nachweise für die Abführung etc. vorgehalten werden müssen.

Für den Steuerpflichtigen ist es in einer solchen Konstellation zunächst wichtig, zu prüfen, ob eine Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer in Großbritannien möglich ist. Dabei sollte auch eine langfristige Prognose unter Berücksichtigung von Ergebnis-Planungen sowohl der deutschen als auch der englischen Muttergesellschaft (Liquiditätsplanungen und Ausschüttungs­planungen) gemacht werden.

Ist das Ergebnis dieser Prüfung, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die 5%-Kapitalertragsteuer eine finale Steuerbelastung im Konzern ist, sollten alternative Konzernstrukturen geprüft werden. Es kann z.B. sinnvoll sein, die Beteiligung an der deutschen Tochtergesellschaft über eine europäische Holdinggesellschaft zu halten, die in einem Land ansässig ist, dessen Doppelbesteuerungsabkommen mit Großbritannien keinen Abzug von Kapitalertragsteuern erlaubt. Bevor eine Umstrukturierung im Konzern erfolgt, müssen unbedingt etwaige steuerliche Konsequenzen dieser Umstrukturierung beleuchtet werden; zudem ist in die Vergleichsrechnung mit einzubeziehen, welche Kosten für die Errichtung und Unterhaltung einer solchen Europa- Holding anfallen würden. Eine reine substanzlose Briefkastengesellschaft reicht in Anbetracht der deutschen Missbrauchsvorschriften nicht aus, um in den Genuss der Freistellung von Kapitalertragsteuer zu kommen.