„Es ist davon auszugehen, dass durch den „Brexit" viele Freistellungsbescheinigungen neu zu beantragen sind, deren Bearbeitung erfahrungsgemäß Monate dauern kann.“
Dies bedeutet aber regelmäßig auch, dass über eine Neuverteilung von Funktionen im Konzern nachgedacht werden muss. Derartige vergleichsweise aufwändige Umstrukturierungen im Konzern kosten aber nicht nur Ressourcen in der Überprüfung und Vorteilhaftigkeitsanalyse, sondern auch Zeit in der Umsetzung.
Selbst wenn keine Umstrukturierung intendiert ist, weil dies für das Unternehmen keinen Vorteil bringt (z.B. weil sichergestellt ist, dass in Großbritannien eine vollständige Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer möglich ist), muss das Unternehmen tätig werden. Auch unter der bisherigen Rechtslage, d.h. Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. § 43b EStG, kann nur dann von dem Einbehalt und der Abführung der Kapitalertragsteuer abgesehen werden, wenn eine Freistellungsbescheinigung vorliegt. In dieser ist vermerkt, ob bzw. in welcher Höhe Kapitalertragsteuer einzubehalten ist und auf Grund welcher Rechtsgrundlage diese Pflicht besteht bzw. nicht besteht. Nach dem „Brexit" verändert sich zum einen die Höhe der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer von 0% auf 5%. Zudem kann die Begrenzung der Kapitalertragsteuer nicht mehr auf § 43b EStG, sondern auf das Doppelbesteuerungsabkommen gestützt werden. Daher ist eine neue Freistellungsbescheinigung zu beantragen. Bereits derzeit dauert die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung durch das Bundeszentralamt regelmäßig mehrere Monate. Es ist davon auszugehen, dass durch den „Brexit" viele Freistellungsbescheinigungen neu zu beantragen sind. Es ist daher mit noch längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen. Besteht noch keine Freistellungsbescheinigung, muss zunächst die Kapitalertragsteuer von 25% einbehalten werden. In einem zweiten Schritt kann eine Erstattung beantragt werden beim BZSt. Auch hier ist wieder mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen. Da die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nicht verzinst wird, ist für den Steuerpflichtigen damit auch ein realer Verlust verbunden. Vor dem Hintergrund dieser formalen Anforderungen und der Bearbeitungszeiten sollte die Ausschüttungsplanung überprüft und ggf. sogar angepasst werden.
3.1.2 Ausschüttung einer britischen Tochtergesellschaft
Erhält eine deutsche Gesellschaft eine Dividende einer englischen Tochtergesellschaft, ist die Situation etwas einfacher. In diesem Fall unterscheidet das deutsche Steuerrecht in § 8b Abs. 1, 4 KStG, der die Umsetzung der Mutter-Tochter- Richtlinie darstellt, nicht nach dem Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft. Auch nach dem „Brexit" sind Dividenden einer Tochtergesellschaft aus Großbritannien daher bei der deutschen Muttergesellschaft vollständig von der Körperschaftsteuer befreit.
Diese Steuerfreiheit für Dividenden gilt aber nicht ohne weiteres für die Gewerbesteuer. In der Gewerbesteuer ist eine eigenständige Freistellung für Dividendeneinkünfte geregelt, die unterschiedlich für EU-Tochtergesellschaft und Drittstaaten-Tochtergesellschaft ausgestaltet ist. Während bei EU-Gesellschaften für die Gewerbesteuerfreiheit der Dividenden einzige Voraussetzung eine Beteiligung von 10% zu Beginn des Erhebungszeitraums, d.h. zum 1.1. des Jahres der Ausschüttung, vorliegen muss, sieht das Gewerbesteuergesetz für Dividenden von Drittstaaten-Tochtergesellschaften eine Reihe von Voraussetzungen vor.