Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Steuerrecht
Dr. Marion Frotscher
Mitglied der Geschäftsbereichsleitung Steuern und Recht,
Warth & Klein Grant Thornton AG


„Teilweise besteht ein kompliziertes Regel-Ausnahme- Gegenausnahme- Verhältnis, das in der Praxis detailliert zu prüfen ist. “

Diese Flexibilität führte in der Praxis häufig zu Unsicherheiten, ob die Finanz­verwaltung die vorgehaltene Substanz als ausreichend ansieht. Sofern aber das erforderliche Personal und die Geschäftsausstattung vorhanden waren, konnte alleine damit die Hinzurechnungsbesteuerung vermieden werden.

Diese Ausnahme bei ausreichend Substanz gilt aber nicht für Drittstaaten. Damit würde sie auch im Verhältnis zu Großbritannien nach dem „Brexit" nicht mehr gelten. Entscheidend, ob es zu einer Hinzurechnungsbesteuerung kommt, wäre damit, ob passive oder aktive Einkünfte i.S.d. Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 Abs. 1 AStG) erzielt werden. Die Unterscheidung in aktive und passive Einkünfte erfolgt für die verschiedenen Einkunftsarten unterschiedlich. Dabei werden insbesondere die gewerblichen Einkünfte noch einmal nach der Art der Tätigkeit unterschieden. Die folgenden „gewerblichen Einkunftsarten“ im Sinne der Hinzurechnungsbesteuerung gibt es:2

  • Produktion von Sachen
  • Energieerzeugung, Ausbeutung von Bodenschätzen
  • Handel
  • Dienstleistungen
  • Lizensierung
  • Vermietung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern
  • Gewinnausschüttungen; Anteilsveräußerungen
  • Umwandlungsgewinne
  • Finanzierungstätigkeit

Für jede dieser Art der Tätigkeit muss gesondert ermittelt werden, ob eine passive oder aktive Tätigkeit vorliegt. Ohne weitere Voraussetzung aktiv sind dabei nur die Produktion von Sachen, Energieerzeugung, Ausbeutung von Bodenschätzen und die Erzielung von Dividenden. Die Voraussetzungen für die anderen Tätigkeiten unterscheiden sich je nach Art der Tätigkeit. Teilweise besteht ein kompliziertes Regel-Ausnahme-Gegenausnahme-Verhältnis, das in der Praxis detailliert zu prüfen ist. Soweit nach dem „Brexit" eine Prüfung dieser Voraussetzungen im Einzelfall vorzunehmen ist, wird alleine die Überwachung, ob eine aktive oder passive Tätigkeit vorliegt, daher in Zukunft wesentlich aufwändiger sein als bisher. Insofern erhöht sich für die Steuerpflichtigen der Compliance-Aufwand nicht unerheblich, ohne dass es zu einer Veränderung in der Geschäftstätigkeit kommt. Liegt keine aktive Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG vor oder kann diese nicht nachgewiesen werden, kommt dazu noch die zusätzliche Steuerbelastung durch die Hinzurechnungsbesteuerung.

Sofern die Hinzurechnungsbesteuerung in der Vergangenheit durch das Vorhalten von Substanz vermieden wurde, muss der Steuerpflichtige nach dem „Brexit" tätig werden. Er muss z.B. die Tätigkeit im Ausland derart verändern, dass sie von dem Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG erfasst ist. Dazu kann es auch erforderlich sein, dass Geschäftstätigkeiten und unterstützende Funktionen aus Deutschland heraus eingestellt werden. Dies kann zu teilweise nicht unerheblichen Umstrukturierungs­maßnahmen und Veränderungen in der Funktionsverteilung im Konzern führen.



2Derzeit gibt es beim BMF Überlegungen, im Rahmen einer geplanten Reformierung der Hinzurechnungsbesteuerung den Passivkatalog zu überarbeiten.