Management-Blog
WirtschaftsWoche

Case-Study Teil 2:

Causa VW

Muss der Aufsichtsrat den Vorstand verklagen?
Das sagt der Rechtsexperte:
Dr. Christian Rolf
Partner, Willkie Farr & Gallagher LLP

Normen nicht einzuhalten und die Aufdeckungsfolgen zu riskieren, gab es für den Vorstand nicht.

Delegation und Ressortverteilung helfen dem Vorstand in der Regel nicht

Ein Vorstandsmitglied kann sich der Legalitätspflicht nicht durch Delegation entziehen,10 wenn auch eine Ressortverteilung üblich und möglich ist.11 Denn auch bei einer Ressortverteilung besteht eine Überwachungspflicht12 der anderen Mitglieder des Vorstandes, die den für Compliance zuständigen Vorstand kontrollieren müssen, und dieser Vor­stand muss seine Kollegen entsprechend auf dem Laufenden halten. Allerdings gibt es hier neuere Tendenzen. Jüngst hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf13 im Schienenkartell-Fall einer solchen Aufteilung der Verantwortlichkeiten entlastende Wirkung beigemessen. Ob sich eine solche Betrachtung indes durchsetzt und auch vom BGH so gesehen wird, bleibt abzuwarten.

4.      Schaden

Hat das VW-Compliance-System versagt, hat der Vorstand pflichtwidrig gehandelt, wenn er nicht Gründe vorbringen kann, dass auch ein perfektes Compliance-System die Manipula­tion nicht hätte verhindern können. Das erscheint mehr als schwierig. Es kommt dann da­rauf an, welche Schäden VW ersetzt verlangen kann. An sich kann die Gesellschaft verlan­gen, so gestellt zu werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (§ 249 BGB). Es gibt allerdings Einschränkungen: Gewinnabschöpfungselemente, mit der die Gesellschaft die aus der Gesetzesverletzung rechtswidrig erzielten Vorteile als Strafe bezahlen muss, sind kein zu ersetzender Schaden. Andernfalls stünde die Gesellschaft durch den Rückgriff besser als bei rechtskonformem Verhalten. Es bleiben indes stets die (enormen) Rechtsverfol­gungskosten.14 Auch Schadensersatzzahlungen an getäuschte Aktionäre zählen zu den ersatzfähigen Positionen. Neuere Tendenzen finden sich bei der Strafe oder Buße selbst. Hier existieren erste Entscheidungen,15 die davon ausgehen, dass der Gesellschaft aufer­legte Strafen und Geldbußen nicht regressfähig sind, weil damit der Zweck der Strafe verei­telt wird, wenn sie nicht das Unternehmen, sondern einen Mitarbeiter oder Vorstand trifft. Gerichte16 gewähren der Gesellschaft außerdem Erleichterungen beim Nachweis des Scha-



10 Altmeppen, ZIP 2016, 97, 102; Spindler, Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn.149.
11 Die Zuweisung der Compliance-Aufgaben an ein oder mehrere Vorstandsmitglieder muss durch die Satzung, Geschäftsordnung oder eine vom Vorstand beschlossene Ressortverteilung eindeutig dokumentiert sein.
12 BGH, 15.10.1996 – VI ZR 319/95.
13 LAG Düsseldorf, Teilurteil vom 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 –, Rn. 156ff. (nicht rechtskräftig), Vorinstanz: ArbG Essen, Urteil vom 19.12.2013 – 1 Ca 657/13 –, derzeit beim BAG anhängig unter dem Az. 8 AZR 189/15.
14 LG München I, oben, Fn 4.
15 Etwa LAG Düsseldorf, oben. Fn 8.
16 OLG Koblenz, Urteil vom 24.9.2007 – 12 U 1437/04 –, Rn. 102.


„Delegation und Ressortverteilung helfen dem Vorstand bei Compliance-Verstössen in der Regel nicht.“