Management-Blog
WirtschaftsWoche

Case-Study Teil 2:

Causa VW

Muss der Aufsichtsrat den Vorstand verklagen?
Das sagt der Rechtsexperte:
Dr. Christian Rolf
Partner, Willkie Farr & Gallagher LLP

Vertiefte Sicht



Muss der VW-Aufsichtsrat Vorstände in Regress nehmen?


Der Abgasskandal führt zu dramatisch hohen Schäden für VW. Neben Bußgeldern und aus­ländischen Strafzahlungen drohen Schadensersatzansprüche der Autokäufer, und nicht zuletzt von Aktionären. Aktionärsklagen laufen bereits als Securities Class Actions in den USA, und auch in Deutschland haben diese Verfahren begonnen.1 Wie in solchen Fällen üblich, beginnt das „Schwarze Peter" Spiel - VW schiebt die Verantwortlichkeit auf einzelne Mitarbeiter, welche die zur Manipulation taugliche Software einsetzten, um die U.S. Behörden und damit die Verbraucher über die Abgaswerte zu täuschen. Erste Schuldeingeständnisse liegen vor.2 Es ist allerdings kaum damit zu rechnen, dass diese Mitarbeiter die Schuld alleine übernehmen werden. Vielmehr ist mit Behauptungen zu rechnen, dass das Vorgehen „von oben abgesegnet" war. In den USA wurde eine Mitverantwortung von Bosch behauptet, was derzeit gerichtlich überprüft wird.

Im Zentrum der Prüfung des VW-Aufsichtsrats muss bereits jetzt die Frage stehen, ob zivil­rechtliche Schadensersatzansprüche gegen die amtierenden oder ehemaligen Vorstände von Volkswagen geltend zu machen sind und was dafür jetzt zu tun ist.



1.      Rechtlicher Rahmen des Aktienrechts

Nach § 93 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) haben die Vorstände bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Nach § 91 Abs. 2 AktG muss der Vorstand geeignete Maßnahmen treffen, insbesondere ist ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Verletzt ein Vorstandsmitglied seine Pflichten, bestimmt § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, dass es der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.

Der Aufsichtsrat muss den Vorstand nach § 111 AktG dabei überwachen. § 116 AktG be- stimmt, dass § 93 Abs. 2 AktG auch für die Aufsichtsratsmitglieder gilt, was dazu führt, dass ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft für den Schaden haftet, welcher ihr bei unzureichender Überwachung der Vorstände entsteht. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrates zählt






1 Das LG Braunschweig hat am 5. August 2016 einen Vorlagebeschluss nach § 6 KapMuG erlassen (5 OH 62/16) und dem OLG Braunschweig verschiedene Fragen zur Entscheidung vorgelegt, die im Zusammenhang mit Ansprüchen nach § 37b Abs. 1 WpHG und § 826 BGB stehen, weil VW falsche Informationen mitgeteilt oder Insiderinformationen um die Abgasmanipulation der Motoren VE EA 189 zu spät veröffentlicht und Anleger dadurch geschädigt hat.
2 https://www.justice.gov/opa/pr/volkswagen-engineer-pleads-guilty-his-role-conspiracy-cheat-us-emissions-tests

„Der Aufsichtsrat
von VW muss bereits jetzt prüfen, ob zivilrechtliche Ansprüche gegen amtierende oder ehemalige Vorstände bestehen.“