Management-Blog
WirtschaftsWoche

Case-Study Teil 2:

Causa VW

Muss der Aufsichtsrat den Vorstand verklagen?
Das sagt der Rechtsexperte:
Dr. Christian Rolf
Partner, Willkie Farr & Gallagher LLP

danach, die Tätigkeit der aktuellen und ehemaligen Vorstandsmitglieder auf Recht- und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und dann auch Schadensersatzansprüche geltend zu ma­chen.

§ 116 AktG fordert vom VW Aufsichtsrat daher, Schadensersatzansprüche gegen VW-Vor­stände (ob aktuell oder ehemalig) aus den Abgasmanipulationen zu prüfen und ggf. auch zu verfolgen. Würde der Aufsichtsrat dies pflichtwidrig unterlassen, ergäben sich wiederum Haftungsansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder. Diese Prüfung beginnt nicht erst, wenn der Schaden eingetreten ist, sondern bereits vorher,3 mit anderen Worten, sie sollte bereits auf Hochtouren laufen.

2.      Haftung bei klarer individueller Verantwortlichkeit

Haben VW-Vorstandsmitglieder veranlasst, gewusst oder geduldet, dass die verkauften Fahrzeuge die Abgasnormen nicht einhalten und dass dies durch Einsatz der Software auf den Prüfständen verschleiert wird, haben sie ihre Pflichten als Vorstände natürlich massiv verletzt. Hier kann von Bedeutung sein, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig4 gegen einzelne (ehemalige) Vorstände ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs an den Kunden eingeleitet hat. Werden Bußgelder oder Strafen gegen einzelne Vorstände verhängt, ist die Klage gegen den Vorstand unausweichlich, wenn keine gewichtigen Gründe (dazu unten) entgegenstehen.

Für die Anlegerklagen wäre dagegen die Frage erheblich, ob dem damaligen Vorstandsvor­sitzenden die Manipulation schon im Mai 20145 bekannt war oder hätte bekannt sein müs­sen, also lange bevor VW die Manipulation bekannt gemacht hat, wie dies derzeit in den Klagen vorgetragen wird. Können Anleger Klagen darauf stützen, dass VW zu diesem Zeit­punkt den Kapitalmarkt über die Abgasmanipulation hätte informieren müssen, wäre dies auch ein deutlicher Anhaltspunkt für die Pflichtwidrigkeit einzelner Vorstände, weil die kapi­talmarktrechtlichen Tatsachen entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht rechtzeitig veröffentlich worden sind und Anleger deshalb Schadensersatz geltend machen können.





3 BGH, Urteil vom 16.2.2009 II ZR 185/07, Rn. 23: „Denn die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Organtätigkeit auch ehemaliger Vorstandsmitglieder einer nachgelagerten Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle zu unterziehen und in Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen das Bestehen etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber dem betreffenden (ehemaligen) Vorstandsmitglied zu prüfen, beginnt nicht erst dann, wenn ein bestimmter Schaden der Gesellschaft feststeht."
4 Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 29.9.2015, abrufbar unter Ermittlungsverfahren in der VW-Abgasaffäre eingeleitet (zuletzt abgerufen am 29.08.2016).
5 http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info centeddehnews/2016/03/Volkswagen.html

„Für Anlegerklagen wichtig: war dem damaligen Vorstands­vorsitzenden die Manipulation bekannt bzw. hätte ihm diese bekannt sein müssen?“